1. Einleitung

Die zunehmende Bedeutung der Informationstechnologie im letzten Jahrhundert führte auch bei kleinen bis mittelgroßen Handelsunternehmen zu einem Ausbau der IT-Infrastruktur. Eine wichtige Komponente der IT-Infrastruktur in Handelsunternehmen stellt das Warenwirtschaftssystem dar.

Ein Warenwirtschaftssystem (kurz: WaWi oder WWS) dient der mengen- und wertmäßigen Darstellung von Warenströmen innerhalb des Unternehmens [1]. Neben den zentralen Warenwirtschaftssystemen existieren zusätzlich noch die Filialwarenwirtschaftssysteme, die besonders auf die Erfordernisse von Filialen ausgerichtet sind.

Grundsätzlich werden drei Arten von Warenwirtschaftssystemen unterschieden: Offene, geschlossene und integrierte Warenwirtschaftssysteme.

2. Der Nutzen eines Warenwirtschaftssystems

Das Warenwirtschaftssystem stellt für Handelsunternehmen in heutigen Zeiten eine Grundlage für optimierte Geschäftsprozesse dar. Ein effizientes und auf die Organisation abgestimmtes Warenwirtschaftssystem ist für Handelsunternehmen deshalb ein wichtiger Erfolgsfaktor. Grundsätzlich sollte die Einführung eines Warenwirtschaftssystems die Prozesse eines Unternehmens nicht nur unterstützen, sondern diese auch verbessern [2].

Bei der Verwaltung des Lagers und der Kontrolle der Lagerbestände mithilfe eines WWS können Kostenersparnisse erreicht werden, ebenso können die Zeiten der Lagerhaltung optimiert werden. Das WWS unterstützt die Mitarbeiter auch bei administrativen Vorgängen, wie dem Aufsetzen neuer Angebote oder Rechnungen, und bietet eine allgemeine Vereinfachung der Datenpflege. Ebenso dient ein Warenwirtschaftssystem der Informationsbesorgung und Steuerung von Prozessen.

3. Auswahl des richtigen Warenwirtschaftssystems

Voraussetzung dafür, dass der Einsatz eines Warenwirtschaftssystems tatsächlich zu effizienteren Geschäftsprozessen führt, ist zunächst die richtige Auswahl des WWS aus dem großen Marktangebot.

Das große Angebot an Softwarelösungen auf dem Markt erfordert seitens der Unternehmen eine individuelle und sorgfältige Produktauswahl. Bei dem Auswahlprozess des WWS wird ausreichend Zeit benötigt, um eine Fehlentscheidung zu vermeiden. Denn trifft der Verantwortliche die falsche Wahl, hat dies wegen der langen Bindung an das System langfristige Negativauswirkungen auf das Unternehmen. Als übergeordnete Bewertungskriterien der Produkte werden meist der Softwarenutzen für das Unternehmen (z.B. Funktionalität), der Kostenaufwand und das potenzielle Risiko (z.B. Datenschutzmaßnahmen der Anbieter bei Cloud-Services) herangezogen [3].

Alleine auf dem deutschen Marktsegment für Standardsoftware werden derzeit weit über 250 Anwendungssysteme für die Warenwirtschaft eines Unternehmens angeboten. Bei solch einer großen Auswahl an Produkten mit unterschiedlichen Funktionalitäten ist es zunächst nicht einfach, das passende System für das eigene Unternehmen zu finden.

Die Angebote auf dem Softwaremarkt der Warenwirtschaftssysteme unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Funktionalität und Zielsetzung. Angesichts der Komplexität der richtigen Entscheidungsfindung und des großen Marktangebots kann das Hinzuziehen eines externen Consultants hilfreich sein. Dieser unterstützt das Unternehmen mit seinen Fachkenntnissen bei der Entscheidungsfindung und überwacht anschließend die Einführung und den fortlaufenden Einsatz des Warenwirtschaftssystems.

Für die Auswahl eines WWS sind zunächst zwei Vorgehensweisen von Bedeutung:

  1. Erarbeitung der fachlichen und technischen Erfordernisse des Unternehmens und anschließende Erstellung von Parametern zur Beurteilung der Softwarealternativen.
  2. Identifizierung der Warenwirtschaftslösungen, die für das eigene Unternehmen relevant sind. Die für das eigene Unternehmen infrage kommenden Warenwirtschaftslösungen auf dem Markt sollten mit größter Sorgfalt ermittelt und miteinander verglichen werden.

Bei der Entscheidung für ein Warenwirtschaftssystem sind stets die jeweiligen Anforderungen des Unternehmens zu berücksichtigen, daher wird ein WWS jedes Mal individuell ausgewählt.

Zusätzlich wird bei der Auswahl des WWS zunächst abgewägt, ob für das Unternehmen der Kauf einer Individualentwicklung oder Standardsoftware sinnvoll ist.

4. Unterschied: Standard- vs. Individualsoftware

Grundsätzlich gibt es bei den Warenwirtschaftssystemen zwei Typen von Softwarelösungen: Individual- und Standardsoftware. Bei der Standardsoftware handelt es sich um eine Softwarelösung, die aufgrund ihres breiten Anwendungsspektrums in mehreren Unternehmen verwendet werden kann. Eine Individualsoftware wird hingegen speziell für ein bestimmtes Unternehmen entwickelt.

Die Standardsoftware wird zusätzlich noch unterteilt in horizontale- und vertikale Standardsoftware [4]. Bei einer Standardsoftware sind die anfallenden Kosten leichter vorherzusehen als bei einer Individualentwicklung.

Bei den meisten Softwarelösungen auf dem Markt handelt es sich um Individualentwicklungen, die speziell auf einen oder eine geringe Anzahl von Kunden zugeschnitten wurden. Eine Individualsoftware wird entweder von der unternehmensinternen Softwareabteilung oder von einem externen Dienstleister entwickelt.

Unterschiede in der Flexibilität

Auch wenn Standardsysteme bereits eine Vielzahl von Funktionen abdecken, ermöglichen einige Standardsysteme zusätzlich durch Veränderung von Parametern ein individuelles Anpassen an sich verändernde Unternehmensanforderungen. Bei solch parametrisierbaren Standardlösungen lässt sich das System also gegebenenfalls noch nachträglich an neue Unternehmensanforderungen anpassen. [5] Die größten Anpassungsmöglichkeiten an sich ändernde Anforderungen bieten jedoch eindeutig die Individualentwicklungen.

5. Warenwirtschaftssysteme aus der Cloud

Mittlerweile hat auch das Cloud Computing bei den Warenwirtschaftssystemen Einzug gefunden. Auf dem Markt für Warenwirtschaftssysteme werden auch cloudbasierte Varianten (SaaS-Modelle) angeboten. Bei diesen Varianten stellt der Anbieter seinen Kunden das WWS auf seinen Servern über eine Cloud zur Verfügung und berechnet für die Nutzung ein monatliches Entgelt. Der Kunde kann dann ortsunabhängig über einen Webbrowser auf seine Warenwirtschaftslösung in der Cloud zugreifen. Die Verbreitung der Cloud-Lösungen nahm in den letzten Jahren auch bei den KMUs (kleine und mittlere Unternehmen) immer mehr zu.

Die Warenwirtschaft aus der Cloud verringert dabei die Anforderungen an die eigene IT-Infrastruktur des Unternehmens, denn das Wesentliche für den Betrieb des WWS wird beim Dienstleister ausgelagert. Die Server werden extern beim WWS-Dienstleister gehostet samt Speicherung der Systemdaten.

Ein Unternehmer muss sich zudem die Frage stellen: Welcher Cloud-Dienstleister bietet mir die bestmöglichste Datensicherheit? Eine Orientierung bei der Entscheidung können Zertifikate der Anbieter bezüglich ihrer Sicherheitsvorkehrungen sein. So existieren in diesem Bereich beispielsweise die relevanten Normen ISO27001, ISO270018 und ISO 20000.

Vorteile einer cloudbasierten WWS-Variante:

  • Geringere Anforderungen an die eigene IT-Infrastruktur
  • Wartung und Pflege des Systems übernimmt der Dienstleister
  • Hohe Anschaffungskosten entfallen
  • Keine Ortsgebundenheit: Arbeiten mit dem WWS von überall aus möglich

Der entscheidende Vorteil eines cloudbasierten WWS ist, dass die Mitarbeiter damit in der Lage sind, ortsunabhängig auf die Daten der Warenwirtschaft zuzugreifen. Des Weiteren versprechen sich viele Unternehmen Kostensenkungen durch die Auslagerung des Warenwirtschaftssystems in eine Cloud.

Nachteile des WWS aus der Cloud

Die Verwendung eines cloudbasierten Warenwirtschaftssystems erzeugt jedoch eine Abhängigkeit des Unternehmens von seiner Internetverbindung. Die zuverlässige Verfügbarkeit von schnellem Internet ist eine Voraussetzung für die Nutzung der Cloud. Bei einem Ausfall der Internetverbindung ist kein Arbeiten mit dem cloudbasierten Warenwirtschaftssystem mehr möglich, dies kann im schlechtesten Fall Produktionsausfälle nach sich ziehen.

Darüber hinaus bestehen berechtigte Sicherheitsbedenken, da der Zugriff auf die Unternehmensdaten über das öffentliche Internet und einen Webbrowser erfolgt. Es ist denkbar, dass über die Internetverbindung Unternehmensdaten ausgespäht werden könnten.

Viele Anbieter der Cloud-Dienste wissen um diese Bedenken und werben deshalb die Kunden mit Vertrauen und zertifizierten Sicherheitsvorkehrungen. Eine potenziell vorliegende Datenunsicherheit bei Cloud-Anbietern verstärkt die Notwendigkeit der Unternehmen, viel Zeit und Überlegungen in den Auswahlprozess zu investieren.

Verbreitung von Cloud-Computing bei deutschen Unternehmen

Trotz der Sicherheitsbedenken entwickeln laut einer Studie immer mehr deutsche Unternehmen eine positivere Haltung gegenüber das Cloud Computing. Die Verwendung von Cloud-Diensten war zum Zeitpunkt der Erhebung bei 54% der befragten Unternehmen verbreitet (Stand: 2015), jedoch wird auch erwähnt, dass es bei den Unternehmern durchaus Bedenken aufgrund der potenziellen Datenunsicherheit gibt. [6]

6. Realisierungskonzepte: Best-of-breed vs. Paketlösung

In der Welt der Warenwirtschaftslösungen haben sich zwei Realisierungskonzepte erfolgreich durchgesetzt: Der Best-of-Breed-Ansatz (Kombination mehrerer Softwarelösungen verschiedener Hersteller) und die “All-In-One”- Pakete, die sogenannten Paketlösungen.

Bei dem Best-of-Breed-Konzept besteht das Warenwirtschaftssystem aus einer Kombination von mehreren Softwarelösungen unterschiedlicher Hersteller. Auf diese Weise wird versucht, die bestehenden Anforderungen des Unternehmens optimal abzudecken. Für jede Teilaufgabe des Warenwirtschaftssystems wird dabei das am besten passende Modul ausgewählt [7]. Die Vorteile des Best-of-Breed-Ansatzes werden aber nicht nur bei Warenwirtschaftssystemen genutzt, sondern auch in anderen Unternehmensbereichen.

Der Sinn dieser Vorgehensweise ist, für jeden Teilbereich des WWS immer nur die Softwarelösungen einzusetzen, die auf diesen Teilbereich spezialisiert sind. Denn eine Spezialisierung bietet ein umfangreicheres Know-how seitens des Anbieters und damit oft eine bessere Lösung. Best-of-Breed-Varianten bieten dem Unternehmer daher meist das größere Unterstützungspotenzial.

Weitere Vorteile der Best-of-Breed-Variante:

  • Schnellere Anpassungsfähigkeit der Systeme bei Änderungen der Marktbedingungen
  • Geringere Abhängigkeit gegenüber den Herstellern der Softwarelösungen (Module können einzeln jederzeit ausgetauscht werden, es muss nicht ein ganzes System ersetzt werden)
  • Größere Flexibilität bei der Auswahl und dem Wechsel der Anbieter

Demgegenübergestellt, die wesentlichen Vorteile einer “All-In-One”- Paketlösung:

  • Alle Funktionen des Systems von einem Anbieter
  • Bei der Einführung des Systems entfallen die langwierigen und anspruchsvollen Installationen der einzelnen Softwarelösungen
  • Zentrale Datenbasis

In Deutschland ist überwiegend die Verwendung von Paketlösungen verbreitet, während in den USA der Best-of-Breed-Ansatz großen Zuspruch findet [8].

7. Anwendung von Warenwirtschaftssystemen in der Praxis

Bei der Neuanschaffung eines Warenwirtschaftssystems werden kleineren Unternehmen zunächst – der Betriebsgröße entsprechend – kleine Warenwirtschaftslösungen empfohlen. Durch die Wahl eines kleineren WWS wird in diesen Fällen auch die Integration der Anwendungssoftware in den Unternehmensalltag erheblich erleichtert. Vergrößert sich das Unternehmen, sollte parallel zu dieser Entwicklung das Warenwirtschaftssystem angepasst und erweitert werden.

Die Anwendungssoftware wird in der Regel von mehreren Abteilungen des Unternehmens verwendet, überwiegend in den Bereichen Einkauf, Wareneingang, Lager und Verkauf.

Bei der Ausarbeitung von Geschäftsprozessen sind Warenwirtschaftslösungen in der Praxis ebenfalls von großer Bedeutung, da bei einer zukünftigen Neustrukturierung des Unternehmens auch die Wechselwirkungen der Organisation mit den Anwendungssystemen berücksichtigt werden müssen [9]. Die aus dem WWS ermittelten Daten der Warenflüsse innerhalb des Unternehmens stellen dabei eine Basis für die Ausführung der Geschäftsprozesse dar.

Die Verwendung von mobilen Geräten (z. B. Netbook oder Smartphones) findet in der Arbeitswelt in heutigen Zeiten immer mehr Anklang. Infolgedessen wird wahrscheinlich auch die Bedeutung und Verbreitung der ortsunabhängigen Cloud-Dienste auf dem Markt der Warenwirtschaftssysteme immer mehr zunehmen.

Einen einfachen und schnellen Einstieg bieten kostenlose Warenwirtschaftslösungen, wie beispielsweise die kostenlose Software JTL-Wawi, die sich für eine Unternehmensgröße von 1 bis 100 Mitarbeitern eignet.

Quellenangaben

  1. Vgl. Warenwirtschaftssysteme. 2017.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Warenwirtschaftssystem (16.05.2017)
  2. Vgl. Schütte, Reinhard; Vering, Oliver: Erfolgreiche Geschäftsprozesse durch moderne Warenwirtschaftssysteme: Produktübersicht marktführender Systeme und Auswahlprozess (BPM kompetent). 3. Auflage. Springer Berlin Heidelberg. 2011. S. 20.
  3. Vgl. ebd., S.20 f.
  4. Vgl. ebd., S.26.
  5. Vgl. ebd., S.25.
  6. Dr. Pols, Axel; Heidkamp, Peter: Cloud-Monitor 2016. Eine Studie von Bitkom Research im Auftrag von KPMG – Pressekonferenz. 2016.
    https://www.bitkom.org/Presse/Anhaenge-an-PIs/2016/Mai/Bitkom-KPMG-Charts-PK-Cloud-Monitor-12-05-2016.pdf (16.05.2017)
  7. Vgl. Müller, Rüdiger: Pro-Fragen zu Best of Breed.
    https://www.diamant-software.de/wp-content/uploads/Pro-Best-of-Breed-Diamant-Software.pdf (16.05.2107)
  8. Vgl. Schütte, Reinhard; Vering, Oliver: Erfolgreiche Geschäftsprozesse durch moderne Warenwirtschaftssysteme: Produktübersicht marktführender Systeme und Auswahlprozess (BPM kompetent). 3. Auflage. Springer Berlin Heidelberg. 2011. S. 28.
  9. Vgl. ebd., S.18.

Autor: Eric Funke